Quelle: |
Finanzgericht Hamburg |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 12.06.2024 |
Aktenzeichen: | 1 K 141/22 |
Schlagzeile: |
Verbrauch des ermäßigten Steuersatzes gem. § 34 Abs. 3 EStG auch bei fehlendem Antrag
Schlagworte: |
Antrag, Ermäßigter Steuersatz, Feststellungsbescheid, Grundlagenbescheid, Steuersatz, Veräußerungsgewinn, Verbrauch
Wichtig für: |
Steuerberater
Kurzkommentar: |
1. Nach der vom Senat zugrunde gelegten Rechtsprechung des BFH ist die antragsgebundene Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen kann, auch dann verbraucht, wenn das Finanzamt die Vergünstigung zu Unrecht gewährt hat.
2. Dies gilt selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschieht oder ein Betrag begünstigt besteuert wird, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelt.
3. Entscheidend ist, dass die Vergünstigung in dem früheren Jahr nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Will sich der Steuerpflichtige die Möglichkeit einer späteren Inanspruch-nahme vorbehalten, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.
4. Der Steuerpflichtige braucht sich die rechtswidrige Gewährung der Vergünstigung in einem Vorjahr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben jedoch dann nicht entgegenhalten zu lassen, wenn für ihn angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und des Fehlens eines Hinweises im Bescheid nicht erkennbar gewesen ist, dass das Finanzamt die Vergünstigung ohne den erforderlichen Antrag gewährt hat.
5. Der Senat erwägt, ob bei Änderung eines Steuerbescheides gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zur Umsetzung eines Grundlagenbescheides der Bescheidadressat sich bei der Überprüfung des Bescheides darauf beschränken kann, ob die im Grundlagenbescheid enthaltenen Feststellungen richtig umgesetzt sind, weil außer der Übernahme der Feststellungen im Grundlagenbescheid keine sonstigen Änderungen oder Maßnahmen zu erwarten sind.
6. Dies kommt jedoch im Ergebnis dann nicht in Betracht, wenn es um die Umsetzung eines Feststellungsbescheides geht, der einen Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG ausweist, da dann auf jeden Fall auch die Überprüfung der richtigen Steuerberechnung im Hinblick auf die besondere Tarifvorschrift des § 34 EStG für außerordentliche Einkünfte wie Veräußerungsgewinne veranlasst ist.
7. Nicht zu entscheiden war, ob sich die Situation anders darstellt, wenn der umzusetzende Feststellungsbescheid andere Einkünfte wie z.B. laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrifft, bei denen eine Steuerberechnung nach § 34 EStG nicht zu erwarten ist.
Hintergrund: Der 1. Senat hat eine Klage abgewiesen, mit der die Kläger eine erneute ermäßigte Besteuerung gem. § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begehrten.
Der Beklagte gewährte für das Jahr 2014 die Vergünstigung gem. § 34 Abs. 3 EStG für eine Beteiligungsveräußerung, die zu einem relativ kleinen Gewinn führte, ohne dass die Begünstigung beantragt worden war. Für eine weitere Veräußerung im Jahr 2019, die zu einem sehr viel höheren Veräußerungsgewinn führte, lehnte der Beklagte die (erneute) Gewährung der Begünstigung ab.
Dieser Auffassung folgte nun der 1. Senat und wies die Klage ab. Die antragsgebundene Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen könne, sei auch dann verbraucht, wenn das Finanzamt die Vergünstigung zu Unrecht gewährt habe. Dies gelte selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschehe und ein Betrag begünstigt besteuert werde, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handele. Entscheidend sei allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt habe und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Wolle sich der Steuerpflichtige die Mög-lichkeit vorbehalten, die Vergünstigung in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, müsse er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden sei.
Maßgeblich sei jedoch, dass der Steuerpflichtige den ihn begünstigenden Irrtum des Finanzamtes erkannt und gebilligt habe. Der Steuerpflichtige brauche sich die rechtswidrige Gewährung der Vergünstigung in einem Vorjahr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dann nicht entgegenhalten zu lassen, wenn für ihn angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und des Fehlens eines Hinweises im Bescheid nicht erkennbar gewesen sei, dass das Finanzamt die Vergünstigung ohne den erforderlichen Antrag gewährt habe.
Zwar habe die steuerliche Auswirkung der Anwendung von § 34 Abs. 3 EStG im Jahre 2014 weniger als 1 % der festgesetzten Einkommensteuer ausgemacht. Die Berücksichtigung der Vergünstigung ohne den erforderlichen Antrag sei jedoch erkennbar gewesen. Bei einem Feststellungsbescheid, der einen Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG ausweise, bedürfe es auf jeden Fall auch der Überprüfung der richtigen Steuerberechnung im Hinblick auf die besondere Tarifvorschrift des § 34 EStG für außerordentliche Einkünfte wie Veräußerungsgewinne im Sinne des § 16 EStG.
Das Urteil des Finanzgerichts ist rechtskräftig.